Ohne Ehrenamt, keine Prüfung: Rund 2800 Ehrenamtliche engagieren sich in der Region Stuttgart in den Gesellenprüfungs- und Meisterprüfungsausschüssen. Sigrun von Strauch ist die Vorsitzende des Meisterprüfungsausschusses im Raumausstatter-Handwerk. Dieter Berner (55 Jahre) ist am längsten als Prüfer tätig, während Vanessa Braun (27 Jahre) letztes Jahr nach ihrer Meisterprüfung dazugestoßen ist. Ein Gespräch über Generationen hinweg.
HWK: Frau Braun, Sie sind ganz frisch im Meisterprüfungsausschuss des Raumausstatter-Handwerks. Wie kam es dazu?
Vanessa Braun: Ich wurde direkt nach meiner Meisterprüfung 2024 von Frau von Strauch angesprochen. Das war für mich eine große Ehre, und ich habe sofort zugesagt. Ich wusste vorher gar nicht, dass man sich so kurz nach der Meisterprüfung engagieren kann.
HWK: Frau von Strauch, wie steht es um den Nachwuchs in Ihrem Prüfungsausschuss?
Sigrun von Strauch: Aktuell sind wir mit 18 Prüfmeisterinnen und Prüfmeistern recht gut aufgestellt. Es ist uns dennoch wichtig, laufend neue Mitglieder zu gewinnen. Zum einen gibt es immer wieder Veränderungen im Ausschuss, zum Beispiel wegen Elternzeit oder beruflichen Veränderungen. Zum anderen ist uns im Prüfungsteam eine gute Mischung aus Erfahrung und neuen Perspektiven wichtig.
HWK: Herr Berner, Sie sind seit 2002 dabei. Wie funktioniert die Zusammenarbeit über die Generationen hinweg?
Dieter Berner: Wir arbeiten sehr gut zusammen. Alle aus unserem Team bringen ihre Sichtweise ein, und das macht uns stark. Bei der Bewertung sind die Unterschiede tatsächlich gering – wir diskutieren, finden aber immer ein gutes Ergebnis. Wichtig ist auch mir, dass wir auf Augenhöhe miteinander sprechen. Das war nicht immer so. Heute fördern wir es, dass auch jüngere Prüferinnen und Prüfer sich aktiv beteiligen.
Vanessa Braun: Das stimmt, ich wurde sofort freundlich aufgenommen und konnte meine Ideen einbringen. Das war für mich sehr motivierend.
HWK: Wie vereinbaren Sie das Ehrenamt mit Ihrem Alltag?
Dieter Berner: Es ist eine Herausforderung. Ich leite einen Betrieb und bin zusätzlich beim Deutschen Roten Kreuz aktiv. Für die Prüfungen nehme ich mir bewusst Zeit – rund zehn Tage im Jahr. Der Prüfungszeitraum muss im Betrieb gut vorbereitet und organisiert werden. Manchmal kann das schon herausfordern sein, aber das liegt mir am Herzen.
Sigrun von Strauch: Viele Prüferinnen und Prüfer haben Familie, eine verantwortungsvolle Arbeit und engagieren sich oft auch noch an anderer Stelle ehrenamtlich. Die Unterstützung durch den Arbeitgeber und die Familie ist deshalb wichtig für die Mitwirkung in einem Prüfungsausschuss.
Vanessa Braun: Ich habe das Glück, dass mein Arbeitgeber mich freistellt. Das ist nicht überall so, aber ich erlebe viele Betriebe, die das Ehrenamt positiv begleiten.
HWK: Warum sollte man sich ehrenamtlich im Prüfungsausschuss einbringen?
Vanessa Braun: Ohne Prüfer keine Prüfungen. Es ist wichtig, das Handwerk zu fördern. Als Jungmeisterin bringe ich den Blick aus der eigenen Prüfung mit ein – das hilft bei der Gestaltung der Aufgaben.
Dieter Berner: Wir können uns nicht beklagen, dass uns Fachkräfte fehlen, wenn wir nicht selbst etwas für die Aus- und Weiterbildung unseres Nachwuchses tun. Das Ehrenamt im Prüfungsausschuss ist ein Zahnrad im System: Ausbildung, Meisterprüfung, Fachkräftesicherung.
Außerdem ist der Austausch im Prüfungsausschuss ein tolles Netzwerk und man bleibt an den aktuellen Entwicklungen im Gewerk am Ball.
Sigrun von Strauch: Die Mitwirkung im Prüfungsausschuss ist sehr sinnstiftend. Wir begleiten Menschen zum Meistertitel und leisten einen Beitrag zur dualen Ausbildung – ein Qualitätsmerkmal des deutschen Handwerks. Außerdem leben wir in einer freiheitlichen Gesellschaft, zu der wir alle etwas beitragen sollten.
HWK: Ihr Appell an junge Meisterinnen und Meister?
Vanessa Braun: Traut Euch! Eure Beiträge sind wertvoll und werden geschätzt.
Dieter Berner: Engagiert Euch – für das Handwerk und die Gesellschaft.
Sigrun von Strauch: Sammelt Eure Erfahrungen. Ihr bekommt für Euren ehrenamtlichen Einsatz viel zurück, fachlich und persönlich.
Hintergrund: Ehrenamt im Handwerk
Ehrenamtliches Engagement ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für das Handwerk. Ob in Prüfungsausschüssen, Innungen, Fachverbänden oder den Gremien der Handwerkskammer: Ehrenamtliche gestalten die Zukunft des Handwerks aktiv mit, bringen ihre Erfahrungen ein und sichern so eine hochwertige Ausbildung. Ihr Einsatz stärkt die Selbstverwaltung und fördert den Austausch zwischen Betrieben. Davon profitiert nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die gesamte Gesellschaft.
Weitere Informationen: www.hwk-stuttgart.de/ehrenamt